Das Hamiltonsche Prinzip: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 17. August 2010, 20:58 Uhr

Das Hamiltonsche Prinzip

Variationsprinzipien

Die bisher betrachteten Variationen waren differenziell. Derart wurden sie beim d´Alembertschen Prinzip angewendet.

Differenzielle Variation: δri


Beim Hamiltonschen Prinzip dagegen wird die gesamte Bahn variiert:


ri(t)


Hat man also eine Bahn gefunden, so variiert man diese, indem eine beliebige , gänzlich von der ersten Bahn verschiedene Bahn betrachtet wird.

Lediglich Anfangs- und Endpunkt zu den Messzeiten t1 und t2 werden festgehalten.

Skizze

Grundidee des Hamiltonschen Prinzips ist, dass die wirklich angenommene Bahn eine bestimmte Größe, nämlich die sogenannte Wirkung der Bahn , extremal macht.

Fermatsches Prinzip

Dieses Phänomen ist bei der Lichtausbreitung als Fermatsches Prinzip bekannt.

In der geometrischen Optik gibt es die Moeglichkeit, einen Lichtweg zu finden, indem das Fermatsche Prinzip berücksichtigt wird. Demnach sucht sich Licht immer den kürzesten W4eg in einer Anordnung von Spiegeln und brechenden Gläsern mit Brechungsindex n(r )

Vorsicht ! Das Licht sucht sich demnach den kürzesten Optischen Weg, also den Weg, der in der kürzesten Dauer zurückgelegt werden kann ( Das Licht bewegt sich entlang der lichtartigen Geodäten).

Sei der Brechungsindex n(r)=cc0


So gilt:


δ12dsn(r)=0


als Bedingung an den tatsächlich zwischen 1 und 2 angenommenen Weg.

Betrachten wir ein Teilchen im kräftefreien Fall, so gilt, dass die Bewegung auf Geodäten stattfindet. Dies sind die kürzesten Verbindungen zwischen zwei Punkten, bei Kugeln beispielsweise die Großkreise.

Gemäß der allgemeinen Relativitätstheorie verzerren Masseansammlungen den Raum derartig ( die Metrik des Raumes), dass alle Teilchenbahnen Geodäten werden. Unabhängig davon, ob Kräfte vorliegen oder nicht.

Allgemeine Aufgabe der Variationsrechnung

Sei I : C² - > R ein Funktional

Beispiel: q(t)I[q]:=t1t2dtF(q(t),q˙(t),t)


Die Funktion q(t) sollte zweimal stetig differenzierbar und reell sein. ( Bahnkurve mit existierender Geschwindigkeit und Beschleunigung).

Die Aufgabe lautet nun:

Suche ein q(t) derart, dass δI[q]=0


Das Funktional sollte also in q(t) extremal werden. Sprich, Maximum, Minimum oder Sattelpunkt aufweisen.

Die Variierten Bahnen

Eine Variierte Bahn ist dann eine Bahn, die zu jeder Zeit t mit t1<t<t2 ( eigentlich kleiner gleich) dem Punkt q(t) auf der reellen Bahn einen variierten Bezugspunkt q´(t) auf der variierten Bahn zuordnet.

Dabei gilt:

1. q´(t)C2 Die variierten Punkte stammen auch aus quadratintegrablen komplexen Funktionen

2. δq(t):=q´(t)q(t) differenzielle Variation. Die Zeit wird nicht variiert.

3. δt=0


4. q´(t1)=q(t1)q´(t2)=q(t2)

Anfangs- und Endpunkt sind fest

5. δq(t1)=δq(t2)=0


Da die Variation der Integrationsgrenzen verschwindet kann Integration und Variation vertauscht werden:


0=δt1t2dtF(q,q˙,t)=t1t2dtδF(q,q˙,t)=t1t2dt[Fqδq+Fq˙δq˙]


Die letzte Identität gilt, da die Variation nicht auf die Zeit bezogen werden muss ( Zeit wird nicht variiert).

Für die variierte Geschwindigkeit gilt:


δq˙(t):=q˙´(t)q˙(t)=ddt(q´(t)q(t))=ddtδq


Also folgt mit Hilfe partieller Integration


t1t2dt[Fqδq+Fq˙δq˙]=t1t2dt[Fqδq+Fq˙ddtδq]=t1t2dt[FqδqddtFq˙δq]+Fq˙δq|t1t2


Da jedoch die Variation an den Grenzen t1 und t2 verschwindet gilt:


t1t2dt[FqddtFq˙]δq=0


Da q jedoch völlig frei variierbar ist:


FqddtFq˙=0


Dies ist die verallgemeinerte Euler-Lagrange- Gleichung der Variationsrechnung

Diese Differenzialgleichung ist äquivalent zum Integralprinzip


δI[q]=0


Neben der Einführung einer bijektiven Abbildung zwischen Bahnpunkten bund variierten Punkten ergibt sich auch die leichte Möglichkeit der Ableitung durch Einführung eines Variationsparameters: α


q(t,α)=q(t)+αη(t)


Die konkurrierende Funktion wird durch den Parameter α bei festem η(t) parametrisiert.

Weitere Möglichkeiten sind zu finden unter „direkte Methoden der Variationsrechnung)

Exkurs zur Variationsrechnung

  1. Das Extremum einer Funktion f(x) bei einer Variablen

δf(x)=f(x+δx)f(x)=ddxf(x)δx=0 für beliebige Variationen


δx0


ddxf(x)=0 an x=x0 ( Nullstelle)

  1. Extremum einer Funktion f(x1,x2,...,xN) mehrerer Variablen


δf=f(x1+δx1,...)f(x1,...)=i=1Nxif(x)δxi=0 für beliebige δxi0


fxi=0 i=1...,N bei xi =xi0 ( Nullstellen der Funktion)

entsprechend:

3. Extremum eines Funktionals

f[x]=f[x(t)]


x1,...,xN>x(t)δx1,...,δxN>δx(t)δf=i=1Nfxiδxi>δf=t1t2dtδfδx(t)δx(t)


Mit δfδx(t) als Funktionalableitung

Beispiel : Integral als Funktional

Sei f[x]:=t1t2dtF(x(t))


δf=f[x(t)+δx(t)]f[x(t)]=t1t2dt{F(x(t)+δx(t))F(x(t))}


=t1t2dtdF(x)dxδx(t)dF(x)dx=δfδx(t)

wegen

δf=i=1Nfxiδxi>δf=t1t2dtδfδx(t)δx(t)


δf=t1t2dtdF(x)dxδx(t)=0fu¨rbeliebigeδx(t)(Extremum)


Somit folgt jedoch wegen der Beliebigkeit der variierten x:


dF(x)dx=δfδx(t)=0 als Funktionalgleichung zur Berechnung von x(t)

Bei Abhängigkeit von x,x˙


f[x,x˙]=t1t2dtF(x(t),x˙(t))


δf=t1t2dtδF(x,x˙)=t1t2dt{Fxδx+Fx˙δx˙}=t1t2dt{Fx+ddtFx˙}δx(t)


Im Extremum gilt dies wieder für beliebige Variationen δx(t) .

Somit gewinnt man die Euler-Lagrange- Gleichung zur Berechnung von x(t):


Fx+ddtFx˙=0


Das Hamiltonsche Wirkungsprinzip

Voraussetzung:

  • holonome ( integrable) Zwangsbed. -> Bedingung fuer Existenz generalisierter Koordinaten ( q1,..., qf)
  • konservative Kräfte -> Bedingung für Existenz der Lagrangegleichung / Lagrangefunktion

L(q1,...qf,q˙1,...,q˙f,t)=TV


Nehmen wir nun die Lgrangegleichung als Funktional:


F=L(q1,...qf,q˙1,...,q˙f,t)=TV


Nun ist auch das Variationsprinzip auf mehrere Variablen zu verallgemeinern:

Die entstehende Euler- Lagrange- Gleichung entspricht einer Lagrangegleichung 2. Art

Integralprinzip entspricht dem Hamiltonschen Wirkungsprinzip

Somit erhalten wir bei Integration über die Zeit ein Wirkungsfunktional:


δW=0W:=t1t2dtF=t1t2dtL(q1,...qf,q˙1,...,q˙f,t)=t1t2dtTV


Bei Berechnung der Variation erhalten wir:


δW=0δW=δt1t2dtF=t1t2dtk=1f{Lqkδqk(t)+Lq˙kddtδqk(t)}δW=t1t2dtk=1f{LqkddtLq˙k}δqk(t)=0


Da auch hier wieder völlig frei in q variiert werden kann ( gilt für beliebige δqk(t),k=1,...,f )

gilt als Lagrangegleichung 2. Art:


LqkddtLq˙k=0


Beispiel: eindimensionaler Oszi


L=TV=m2q˙2mω22q2δW=t1t2dtδ{m2q˙2mω22q2}


Mit Hilfe:


δq2=2qδq


ergibt sich:


δW=t1t2dt{ddtmq˙mω2q}δq=0


mq¨mω2q=0q¨+ω2q=0


Unterschiede zum d´Alembertschen Prinzip

Das Hamiltonsche Prinzip ist ein Integralprinzip. Das heißt, die integrierte Summe aller Variationen ist extremal, die tatsächliche Bahn ( gesamte Bahn) wird also mit einer differenziell benachbarten Bahn verglichen ).

Das Hamiltonsche Prinzip unterliegt dem teleologischen Prinzip. Es ist zweckgebunden. Der Zweck betrifft dabei die Eigenschaften der gesamten Bahn.

Außerdem ist das Hamiltonprinzip völlig unabhängig von der Koordinatenwahl.

Wirkung = Energie X Zeit

Wirkung = Impuls X Ort

Vergleiche dazu: Plancksches Wirkungsquantum !

Die Wirkung ist also quantisiert . Zwischen den Größen, die eine Wirkung best9mmen entsteht eine Unschärfe. Somit ist die Wirkung quantisiert und sucht sich in der Natur ein Minimum.

Allgemein kann man das Hamil5tonsche Wirkungsprinzip natürlich auch formulieren, wenn die Zwangsbedingungen beliebig ( nichtholonom) sind und die eingeprägten Kräfte nicht konservativ:

Seien die eingeprägten Kräfte ( nicht konservativer Art) von der Form:


X¯i


So gilt mit δA=iX¯iδr¯i


t1t2dt(δT+δA)=0


Eichtransformationen der Lagrangefunktion

Die Lgarangefunktion wird duch die Lagrangegleichung nicht eindeutig festgelegt.

Betrachten wir beispielsweise ein geladenes Teilchen im elektrischen Feld:


(q1,q2,q3)=(x1,x2,x3)


e sei die Ladung

Bewegungsgleichung:


md2dt2(q1,q2,q3)=mq¯¨=eE¯(q¯,t)+eq¯˙×B¯(q¯,t)


Die Lorentzkraft ist typischerweise nicht konservativ

Die Darstellung des elektrischen und magnetischen Feldes erfolgt über die Potenziale:


E¯(q¯,t)=Φ(q¯,t)tA¯(q¯,t)B¯(q¯,t)=×A¯(q¯,t)


Dabei ist Phi skalar und A ein Vektorpotenzial (MKSA- System)

Ziel: Suche eine Lagrangefunktion L(q,q˙,t)=TV

in der Art, dass


LqkddtLq˙k=0


Die Bewegungsgleichung md2dt2(q1,q2,q3)=mq¯¨=eE¯(q¯,t)+eq¯˙×B¯(q¯,t) ergeben.

Ansatz:


L(q,q˙,t)=m2q¯˙2+e(q¯˙A¯(q¯,t)Φ(q¯,t))


Probe:


Lq˙k=mq˙k+eAkddtLq˙k=mq¨k+eddtAk(q¯(t),t)ddtLq˙k=mq¨k+e(tAk+lAkqlq˙l)ddtLq˙k=mq¨k+e(tAk+(q¯˙)Ak)


Weiter:


Lqk=e[qk(q¯˙A¯)qkΦ]


Somit:


0=LqkddtLq˙k=mq¨k+e(tAk+(q¯˙)Ak)e[qk(q¯˙A¯)qkΦ]=mq¨k+e(tAk+qkΦ)+e[qk(q¯˙A¯)+(q¯˙)Ak]=mq¨keEk[eq¯˙×(×A¯)]k=mq¨keEk[eq¯˙×B¯]k


Somit erfüllt unser Ansatz die Bewegungsgleichungen

Eichtransformationen

Die Potenziale lassen sich umeichen mit Hilfe der Eichfunktion χ


A¯(q¯,t)A¯´(q¯,t)=A¯(q¯,t)+χ(q¯,t)Φ(q¯,t)Φ´(q¯,t)=Φ(q¯,t)tχ(q¯,t)


Durch Eisnetzen sieht man schnell, dass sich die Felder nicht ändern:


E¯´(q¯,t)=Φ´(q¯,t)tA¯´(q¯,t)=(Φ(q¯,t)tχ(q¯,t))t(A¯(q¯,t)+χ(q¯,t))=E¯(q¯,t)B¯´(q¯,t)=×A¯´(q¯,t)=×(A¯(q¯,t)+χ(q¯,t))=B¯(q¯,t)


Betrachten wir die Lagrangefunktion, so ergibt sich:


L´(q,q˙,t)=m2q¯˙2+e(q¯˙A¯´(q¯,t)Φ´(q¯,t))L´(q,q˙,t)=m2q¯˙2+e(q¯˙A¯(q¯,t)+q¯˙χΦ(q¯,t)+χ˙)L´(q,q˙,t)=L+e(χ˙+q¯˙χ)´=L+ddt(eχ(q¯,t))


Einsetzen zeigt: L´ führt zu denselben Lagrangegleichungen wie L.

Die Eichtransformation


L(q,q˙,t)L´(q,q˙,t)=L+ddt(M(q¯,t))


Mit einer beliebigen Eichfunktion M ( skalar) läßt die Lagrangegleichungen invariant.

Allgemein gilt:

Sei M(q¯,t)=M(q1,...,qf,t)C3 beliebig

und L´(q,q˙,t)=L+(M˙+q¯˙M)=L+ddt(M(q¯,t))L´(q,q˙,t)=L+k=1fMqkq˙k+Mt


dann erfüllen die


{qk(t)}

das hamiltonsche Prinzip

Also:


δL´dt=0δLdt=0


Das bedeutet, die Euler- Lagrangegleichungen sind invariant unter Transformationen der Art


L(q,q˙,t)L´(q,q˙,t)=L+ddt(M(q¯,t))


mit M(q¯,t)=M(q1,...,qf,t)C3 beliebig.

Beweis:


L´qkddtL´q˙k=Lqk+qk(l=1fMqlq˙l+Mt)ddtLq˙kddtq˙k(l=1fMqlq˙l+Mt)=LqkddtLq˙k+qkdMdtddtMqk=LqkddtLq˙k


mit


q˙k(l=1fMqlq˙l+Mt)=Mqk


Einzige Nebenbedingung:


M(q¯,t)=M(q1,...,qf,t)C3 darf nicht explizit von q˙k abhängen.

Beispiel: eindimensionaler Oszi


L=TV=m2q˙2mω22q2


Beispielhafte Eichfunktion:


M(q):=mω22q2dMdt=mω2qq˙


L´=m2q˙2mω22(q22qq˙)


Die Lagrangegleichungen lauten:


ddtL´q˙=mq¨+mω2q˙L´qk=mω2q+mω2q˙


Es folgt als Bewegungsgleichung


q¨+ω2q=0


Forminvarianz der Lagrangegleichung

Eine schwächere Form der Invarianz ( als die Eichinvarianz) ist die Forminvarianz.

Dabei gilt als Forminvarianz:


LqkddtLq˙k=0LQkddtLQ˙k=0


Für welche Trnsformationen der generalisierten Koordinaten


F:{qk}{Qk}


sind nun die Lagrangegleichungen forminvariant ?

Satz:

Sei F:{qk}{Qk} ein C²- Diffeomorphismus,

also eine umkehrbare und eindeutige Abbildung und sind


F,F1 beide zweimal stetig differenzierbar, dann ist


{Qk(t)} Lösung der Lagrangegleichung zur transformierten Lagrangefunktion:


L~(Qk,Q˙k,t):=L(fk(Qi,t),ifkQiQ˙i+fkt,t)


mit


fk(Qi,t)=qkifkQiQ˙i+fkt=q˙k


Diese Aussage ist äquivalent zur Aussage:


{qk(t)} sind Lösung der Lagrangegleichungen zu L(qk,q˙k,t)


Beweis:


ddtL~Q˙k=l=1fddtLq˙lq˙lQ˙k=l=1fddt(Lq˙lqlQk) wegen


fk(Qi,t)=qkifkQiQ˙i+fkt=q˙k


Nun:


ddtL~Q˙k=l=1f{[ddt(Lq˙l)]qlQk+Lq˙lddt(qlQk)}=l=1f{[ddt(Lq˙l)]qlQk+Lq˙l(q˙lQk)}


und auf der anderen Seite:


L~Qk=l=1f(LqlqlQk+Lq˙l(q˙lQk))


Somit:


ddtL~Q˙kL~Qk=l=1f{[ddt(Lq˙l)]qlQk+Lq˙l(q˙lQk)(LqlqlQk+Lq˙l(q˙lQk))}=l=1f{[ddt(Lq˙l)]qlQk(LqlqlQk)}=l=1fqlQk{[ddt(Lq˙l)](Lql)}


Dabei bildet


qlQk die Transformationsmatrix, die nichtsingulär sein muss, also detqlQk0


Daher die Bedingung, dass

Sei F:{qk}{Qk} ein C²- Diffeomorphismus,

also eine umkehrbare und eindeutige Abbildung und


F,F1 beide zweimal stetig differenzierbar.

Nur dann ist {Qk(t)} Lösung der Lagrangegleichung zur transformierten Lagrangefunktion.

Denn diese Aussage ist äquivalent zu


Qi=Fi(q1,...qf,t)qk=fk(Q1,...,Qf,t)mitdetfkQi0


Man sagt, die Variationsableitung


ddtL~Q˙kL~Qk ist kovariant unter diffeomorphen Transformationen der generalisierten Koordinaten

Also gibt es auch unendlich viele äquivalente Sätze generalisierter Koordinaten.