Mechanikvorlesung von Prof. Dr. E. Schöll, PhD
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Der Artikel Mechanik des starren Körpers basiert auf der Vorlesungsmitschrift von Franz- Josef Schmitt des 7.Kapitels der Mechanikvorlesung von Prof. Dr. E. Schöll, PhD.
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Bisher betrachtet: System von Massepunkten
Jetzt: Ausgedehnte, starre Körper
Erhalten bleibt der fixe Abstand zwischen den Punkten des Körpers ( starr) im Gegensatz dazu steht die Mechanik der deformierbaren Medien, also Elastomechanik oder Hydrodynamik
Definition des starren Körpers:
- System von n Massepunkten mit festen Abständen ( Zwangsbedingungen)
- Vorgegebene , kontinuierliche Masseverteilung
Gesamtmasse:
Beschreibung
- Beschreibung im raumfesten Koordinatensystem (x,y,z) als Inertialsystem.
- Beschreibung im körperfesten (intrinsischen) Koordinatensystem
. Dieses ist fest mit dem Körper verbunden (x1,x2,x3) und ist im Allgemeinen kein Inertialsystem. Ursprung von
ist S, beispielsweise der Schwerpunkt.
Der starre Körper hat 6 Freiheitsgrade ( 3 Komponenten Schwerpunktskoordinaten und 3 Winkel zur Orientierung von
)
Kinetische Energie und Trägheitstensor
Betrachten wir eine infinitesimale Verrückung
In Kapitel 3.3 haben wir bereits mit infinitesimalen Drehungen gearbeitet. Dort handelte es sich um passive Drehungen. Hier haben wir es nun mit aktiven Drehungen zu tun -> anderes Vorzeichen.
Schwerpunktsgeschwindigkeit
Winkelgeschwindigkeit
Damit ergibt sich die Geschwindigkeit eines beliebigen Aufpunktes des starren Körpers:
Nebenbemerkungen:
hängt von der Wahl von S ab.
Falls S der Schwerpunkt ist, so gilt:
nach Def. A) des starren Körpers
Definition B) -> Schwerpunktsvektor im körperfesten System
Kinetische Energie:
Mit den Beziehungen
Somit folgt:
mit dem Trägheitstensor
Der Trägheitstensor ist also durch die Massenverteilung bestimmt
Im Sinne der Definition B) dagegen gilt:
und dem Trägheitstensor
Also gilt die Zerlegung der kinetischen Energie:
Dabei ist
kinetische Energie der translatorischen Bewegung
kinetische Energie der Rotationsbewegung
Eigenschaften des Trägheitstensors
ist ein Tensor zweiter Stufe. Das heißt unter Drehungen
transformiert er sich wie folgt:
R kennzeichnet dabei die Drehmatrizen im
mit Orthogonalitätseigenschaft:
Nun , er transformiert sich unter Drehungen wie folgt:
Wenn
Dann:
Kompakt:
Dabei bemerken wir: Matrizen sind einfach Zahlenschemata mit Zeilen und Spalten. Aber erst das Transformationsverhalten definiert einen Tenor ( Im Gegensatz zu einer Matrix).
Tensor 1. Stufe:
= Vektor
Tensor 2. Stufe
Tensor n-ter STufe:
wobei links n Indices stehen und rechts n mal die Drehmatrix angewendet wird ( und jeweils von 1-3 summiert !)
Beweis des Transformationsverhaltens für
Zunächst zum Skalarprodukt:
das Skalarprodukt ist also invariant
Aber auch das Delta- Element ist invariant:
Kompakt:
Also:
Der Trägheitstensor J´ in den neuen Koordinaten ist also gleich dem alten, was Transformationsverhalten eines Tensors zweiter Stufe belegt:
Dabei gilt:
ist der invariante Anteil
hängt von der Wahl des körperfesten koordinatensystems ab.
Weitere Eigenschaften
enthält einen kugelsymmetrischen, also rotationsinvarianten Anteil
ist linear in der Massendichte. Der Trägheitstensor ist also additiv beim Zusammenfügen zweier starrer Körper
ist ein reeller, symmetrischer Tensor, dargestellt durch die reelle, symmetrisch Matrix
Der Tensor ist diagonalisierbar durch die orthogonale Transformation
Das heißt: Es existiert ein gedrehtes, körperfestes Koordinatensystem (y1,y2,y3) in Richtung der Hauptträgheitsachsen:
Also:
i=1,..,3, Matrix positiv semidefinit.
Die Diagonalisierung führt auf das Eigenwertproblem:
mit Eigenvektoren
und Eigenwerten Ji. Ein homogenes, lineares Gleichungssystem
Ziel ist es nun, die Hauptachsenrichtung
so zu suchen, dass
diagonal wird:
Somit ergeben sich 3 reelle, positiv semidefinite Eigenwerte Ji
Das Trägheitsmoment
Trägheitsmoment bezüglich Achse
Diese quadratische Form ist positiv semidefinit.
Trägheitsellipsoid
Die Normierung des Trägheitsmomentes liefert eine Ellipsoidgleichung:
.
Die Lage des Ellipsoids sind ist durch die Eigenvektoren
, die Maße folgen aus den Ji derart, dass die zu
gehörige Achse die Länge
trägt:
- Die Ji heißen Hauptträgheitsmomente ( Trägheitsmomente entlang der Eigenvektoren= Hauptachsen)
Es gilt:
unsymmetrischer Kreisel
symmetrischer Kreisel ( axialsymmetrisch)
kugelsymmetrischer Kreisel ( nicht notwendigerweise Kugelform)
Satz von Steiner
Sei
der Trägheitstensor in einem körperfesten System
, welches im Schwerpunkt S zentriert ist. Sei nun
ein zu
achsparalleles, um den Vektor
verschobenes System. Dann ist
in
gegeben durch
Die beiden Koordinatensystem dürfen dabei nur durch die Translation um
unterschiedlich sein. Wesentlich ist vor allem, dass bei roationsvarianten Systemen keine Verdrehung der Achsen erfolgt !
Beweis:
Bei uns:
Somit:
Speziell im Hauptachsensystem:
keine Außerdiagonalelemente: m=n:=i
mit
als Quadrat des Abstandes der beiden Drehachsen.
Dabei wird bei einer Verschiebung um
nur der Abstand der Drehachsen berücksichtigt. das heißt, die Komponente der Verschiebung in Richtung der Drehachse wird wieder quadratisch subtrahiert:
Beispiele
1. Kugelsymmetrische Massendichte:
Bei homogener Massenverteilung:
bezüglich Schwerpunkt S
folgt:
2. Abrollende Kugel: Momentaner Auflagepunkt ist A
Das Trägheitsmoment bezüglich der momentanen Drehachse durch den Auflagepunkt A:
Drehimpuls und Bewegungsgleichungen
Drehimpuls
- diskret:
Mit
als Schwerpunktsdrehimpuls
als Relativdrehimpuls
- kontinuierliche Situation
Also:
Dies sieht man an der Komponentenschreibweise:
Nebenbemerkung:
Im Allgemeinen ist
nicht parallel zu
, nur falls
in Richtung der Hauptträgheitsachse liegt !
Allgemeine Bewegungsgleichung für den Gesamtdrehimpuls
. Dabei sind
äußere, eingeprägte Kräfte. Die resultierende Kraft
soll auf den Schwerpunkt wirken, so dass gilt:
Somit:
Bekanntlich gilt für die Schwerpunktsbewegung:
(Newton)
Gleichzeitig gilt:
Somit:
Der Relativdrehimpuls ist im Schwerpunktsystem mit raumfesten Achsen konstant.
Also: Es verschwindet die Zeitableitung des relativdrehimpulses im Schwerpunktsystem mit RAUMFESTEN Achsen .
Die Transformation muss nun noch ins körperfeste, rotatorisch mitbewegte System
erfolgen:
Dabei sieht der Beobachter im RAUMFESTEN System neben der zeitlichen Änderung
, die im mitbewegten System ebenfalls stattfindet noch die Rotation des mitbewegten Systems überlagert.
Also:
Somit gilt für das körperfeste System
Mit
folgt im körperfesten System,wo gilt:
=0
Dies ist eine nichtlineare DGL in
Im Schwerpunktsystem ergeben sich die EULERSCHEN Gleichungen für den kräftefreien Kreisel, falls
diagonal ( Hauptträgheitsachsensystem):
Beispiel: Symmetrischer Kreisel:
, also
im mitrotierenden System
Diese Gleichung kann zweimal integriert werden. Mit den Integrationskonstanten
und der Zusammenfassung
folgt:
Dies kann in
eingesetzt werden und es ergibt sich:
Die Definitionen sind an folgender Figur ersichtlich:
Dabei ist x3 die Figurenachse ( Achse durch die Drehachse von J3)
Es gilt:
Das heißt
und damit auch
mit
rotieren um die Figurenachse
Veranschaulicht man diese Situation im Schwerpunktsystem mit raumfesten Achsen, so gilt mit
und
präzedieren um die raumfeste Achse
. Dabei müssen
,
und
stets in einer Ebene liegen.
Anwendung:
Erde als abgeplattetes Rotationsellipsoid:
Damit kann die Präzessionsperiode leicht berechnet werden:
Die Erde präzediert also einmal in 300 Tagen um ihre eigene Achse!